Ganz besondere »Untermieter« hat Karin Brugger derzeit im Garten ihres Hauses in Neumühl – und zwar solche, die bei vielen höchst gemischte Gefühle hervorrufen: In einer Zier-Windmühle haben sich Hornissen häuslich eingerichtet.

»Im Frühjahr hab ich das zum ersten Mal gesehen«, erinnert sich Karin Brugger an den Tag, als sie entdeckte, was sich da in der etwa einen Meter hohen Zier-Windmühle abspielt, die in einer Ecke ihres Gartens steht. »Ein Vogel hat sich das angeguckt«, erzählt sie weiter, »und dann hab ich selbst nachgeschaut. Und da fiel mir auf, dass aus einem Loch etwas Weißes rausschaut, das wie Sägemehl aussieht und das immer größer wurde.«
»Alles verbaut«
Dann fielen ihr auch die großen Insekten auf, die um die Mühle herum flogen. »Dann haben wir mal alles rund herum freigeräumt. Da hab ich dann gesehen, dass alles schon verbaut war.«

Die fleißigen Baumeister, die dafür verantwortlich waren, sind Hornissen – die größte in Mitteleuropa lebende Faltenwespen-Art. Sie werden in der Tat beeindruckend groß: Königinnen bis zu 35 Millimeter, Arbeiterinnen und Drohnen sind etwas kleiner.
Wie viele Tiere in dem Nest in der Mühle leben, weiß Karin Brugger nicht. »Ein paar hundert Tiere wären schon viel«, weiß Andreas Braun, Diplom-Biologe und Lehrbeauftragter an der PH Freiburg. Das liegt auch daran, dass die Arbeiterinnen nur einen Lebenszyklus von wenigen Wochen haben. Zu eingehend kann sich Karin Brugger das auch nicht angucken – ansonsten riskierte sie, von »Wächterinnen«, die das Nest verteidigen, attackiert zu werden.
Karin Brugger weist denn auch jeden Besucher auf ihre »Untermieter« im Garten hin und dass sie dem Nest nicht zu nahe kommen sollten. Doch aggressiv seien die Tiere nicht – im Gegenteil. In der Tat interessieren sich Hornissen nicht wirklich für die Gegenwart von Menschen. Denn anders als etwa Bienen oder »normale« Wespen, die auch an Süßspeisen gehen und daher im Sommer, wenn man draußen bei Kaffee und Kuchen oder einer Limonade sitzt, äußerst lästig werden können, ernähren sich Hornissen ausschließlich von eiweißreicher tierischer Kost wie Insekten.

Angst hat Karin Brugger denn auch nicht. »Ich bin zwar täglich im Garten – aber ich tue ihnen ja nichts«, sagt sie. Und auch Nachbarn hätten sich noch nicht beschwert.
Sie will das Nest denn auch da lassen wo es ist. Es sei auch viel zu faszinierend, die Tiere zu beobachten, sagt sie: »Ich könnte ihnen stundenlang zuschauen.«
Die Hornisse: Mythen und Wahrheit
»Sieben Hornissenstiche töten ein Pferd, drei Stiche einen Menschen«, sagt der Volksmund. »Das ist ein Ammenmärchen«, so Diplom-Biologe Andreas Braun. Das Gift der Hornisse ist nicht toxischer als das von normalen Wespen oder Bienen. Allerdings ist ihr Gift-Reservoir höher, weil sie halt auch größer ist. Andererseits, so der ehrenamtliche Wespenbeauftragte Lothar Krikowski, »verschießen« Hornissen ihr »Pulver« selten mit einem einzigen Stich: »Sie brauchen ihr Gift ja, um ihre Beutetiere zu töten.

Und eine Hornisse kann ihren einmal verbrauchten Giftvorrat im Laufe ihres Lebens nicht wieder aufbauen.« Zudem haben Hornissen wie alle Wespen einen glatten Stachel – anders als Bienen, deren Stachel Widerhaken hat, sodass er nach einem Stich in der Haut bleibt, was zu schmerzhaften Entzündungen führen kann.
Etwa im April oder Mai beginnt die Hornissen-Königin mit dem Nestbau. Hornissen bevorzugen dafür regengeschützte, dunkle Hohlräume – meist in Baumhöhlen, gerne aber auch menschengemachte Hohlräumen wie Vogelnistkästen, Dachböden oder Geräteschuppen. Die Königin beginnt allein mit dem Nestbau, indem sie aus abgenagten und zerkauten Holzfasern in einer nach unten hängenden Wabe Zellen formt, die sie dann mit einem Ei belegt. Nach dem Schlupf der Arbeiterinnen fliegt die Königin nicht mehr aus und beteiligt sich nicht mehr an der Versorgung der Brut. Sie wird von den Arbeiterinnen miternährt und beschränkt sich aufs Eierlegen.
Etwa ab August beginnt das Volk, auch neue Jungköniginnen heranzuziehen. Diese werden im Herbst von den Drohnen begattet, die anschließend sterben. Die Altkönigin wird schließlich nicht mehr gefüttert und stirbt dann ebenfalls. Die Jungköniginnen suchen sich einen Platz zum Überwintern, um nach etwa sechs bis acht Monaten Winterstarre im Frühjahr ein neues Volk zu begründen.
In Deutschland stand die Hornisse lange auf der Roten Liste. Etwa seit Ende der 1970er-Jahre ist sie wieder häufiger. Dennoch ist die Hornisse streng geschützt, so die Umweltbeauftragte der Stadt Kehl, Ann-Margret Amui-Vedel. Besiedelte Nester dürfen nur mit Ausnahmegenehmigung der Unteren Naturschutzbehörde (Landratsamt) durch geschulte Personen umgesiedelt oder entfernt werden.
Wer in Kehl ein Hornissennest entdeckt, den verweist die Stadt an den ehrenamtlichen Wespenbeauftragten des Ortenaukreises, Lothar Krikowski. »Bis zu 500 Stunden im Jahr hänge ich am Telefon«, berichtet er. Ein Hornissennest umzusiedeln sei sehr aufwändig. »Wir müssen ja erst alle Tiere abfangen, bevor wir ans Nest können«, erzählt er. »Und dann muss man die isolierende Hülle zerstören, die als Klimaanlage dient, um an die Wabenteller heranzukommen, wo die Larven drin sind. Und die muss man dann ein paar Kilometer weiter an einem geeigneten Baum aufhängen.« Dort müssen die Hornissen dann wieder eine neue Schutzhülle bauen.
Lothar Krikowski ist unter • 0 78 22/47 14 zu erreichen.

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